Kolumne im Anzeiger vom Rottal vom 20. März 2025
Letzte Woche bat mich ein Fischer um einen Gefallen. Nicht dass ich ihm helfen sollte, einen grossen Fisch an Land zu ziehen oder die kaputte Angelrute zu flicken. Nein, er kontaktierte mich per Mail und wollte, dass ich ihm Geld senden würde. Doch der tolle Hecht war in Wahrheit ein bissiger Hai, und betrieb eine moderne Form des Betrugs, die sich «Phising» – also Fischen – nennt. Und so lief die Sache ab: ein Mail von unserem Geschäftsführer landete in meinem Posteingang. Er habe viel um die Ohren, sei den ganzen Tag in Besprechungen und ich müsse einen Job für ihn erledigen. Unterschrieben war die Nachricht mit seinem Namen, Funktion und Firmenlogo. Gut gemacht, und doch einigermassen einfach als Fälschung erkennbar. Die Mail-Adresse des vermeintlichen Chefs sah leicht anders aus als sonst. Im Text wurde das deutsche ß statt ss verwendet. Der Schreibstil passte zudem nicht zu seinen sonstigen Nachrichten. Und am offensichtlichsten: Er arbeitete den ganzen Tag an seinem Platz.
Den ausgeworfenen Wurm biss ich deshalb nicht an. Auch meine Arbeitskollegen nicht, die ebenfalls ein auf sie personalisiertes Mail erhielten. Jemand, oder vielleicht war es eine schlaue Software, hatte wohl mit dem Organigramm auf unserer Website die Fake-Mails entworfen. In der Hoffnung, das Fischerlatein würde geglaubt. Wir haben das Szenario durchschaut, doch in grossen, unpersönlichen Firmen könnte das durchaus funktionieren. Für mich war es mal wieder ein Zeichen, dass im weltweiten Ozean des Internets viele Piraten ihr Unwesen treiben und ihre Fang-Methoden immer ausgeklügelter werden. Es gilt darum, nicht nur den Kopf einzuschalten, sondern auch die Nase. Denn es könnte sein, dass der aufgetischte Fisch zum Himmel stinkt.