Das neue Stromgesetz bietet seit 1. Januar die Möglichkeit, lokal produzierten Strom auch lokal zu nutzen. Das Buttisholzer Startup Dorfstrom AG will Gewerbe und Landwirtschaft zu Stromproduzenten machen und die Energie lokal vermarkten. Oscar Küng, Buttisholzer Gemeinderat und Mitinhaber der Dorfstrom AG, im Interview.
Oscar Küng, seit dem 1. Januar ist die Dorfstrom AG offiziell tätig. Was will das Unternehmen?
Wir wollen die Energiewende lokal angehen und haben dafür eine AG gegründet. Doch gestartet sind wir schon viel früher mit dem Thema.

«Das Stromgesetz gibt neue Möglichkeiten. Nun braucht es lokale Akteure, welche die Umsetzung angehen.»
Oskar Küng, Mitinitiant der Dorfstrom AG und Gemeinderat
Bisher gab es in Buttisholz den sogenannten Energie Hub, den Sie mitbegründet haben.
Ja, wir haben vor vier Jahren mit dem Thema Energiewende begonnen und uns die Frage gestellt, wie diese lokal funktioniert. Wir merkten, dass es insbesondere beim Gewerbe und in der Landwirtschaft eigene Ansätze braucht. Mit sogenannten Energie-Apéros haben wir viel Wissen aufgebaut, Netzwerke geschaffen und lokale Akteure unterstützt. Mittlerweile sind die Veranstaltungen etabliert, je nach Thema kommen weit über 100 Personen, um sich über lokale Energieprojekte zu informieren.
Ende 2024 war in Buttisholz 25.9 Prozent des Solarpotenzials genutzt, also jedes vierte Dach. Damit ist die Gemeinde an der Spitze im Kanton Luzern. Ist das vor allem der Verdienst des Energie Hubs?
Sogar schweizweit gehört Buttisholz damit zu den führenden Gemeinden. Doch es geht nicht um ein Wettrennen. Es ist sicher die Summe von Massnahmen, die dazu geführt hat. Auch die Energiegenossenschaft hat auf etlichen Dächern Solaranlagen in Betrieb genommen. Und es gibt wohl einen Art «Nachbar-Effekt». Wenn der andere etwas macht, wird man selber auch animiert. Doch die lokale Stromproduktion soll noch weiter wachsen und zu einem wichtigen Standbein der lokalen Energieversorgung werden.
Im Juni 2024 haben das Schweizer Stimmvolk das neue Stromgesetz klar angenommen. Erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft sollen damit gefördert werden. Was ändert sich auf der lokalen Ebene?
Viel! Das Gesetz gibt neue Möglichkeiten zur Nutzung von selbst erzeugtem Strom und zu einer dezentralen Stromversorgung. Dafür gibt es neu virtuelle ZEVs (Zusammenschluss zum Eigengebrauch) und lokale Elektrizitätsgemeinschaften, sogenannte LEGs (Erklärungen siehe Box). Lokal produzierter Strom kann damit kleinräumig innerhalb eines Quartiers oder einer Gemeinde genutzt und verrechnet werden. Also Strom aus der Region für die Region.
Und welche Rolle hat dabei die Dorfstrom AG?
Das neue Gesetz hat viele Möglichkeiten geschaffen, nun braucht es lokale Akteure, um die Umsetzung anzugehen und die neuen Möglichkeiten aktiv zu nutzen. Wir bieten Unterstützung, prüfen in einem Quartier, wie der Stromverbrauch ist, schauen, wo es Produktionsmöglichkeiten gibt und bringen beides zusammen. Wir sprechen da von einer Clusterung.
Was heisst das konkret?
Ein Landwirt mit einem grossen Scheunendach kann mit seiner Photovoltaik-Anlage viel Strom produzieren. Um einen besseren Preis für seine Energie zu erhalten als über die übliche Netzeinspeisung, kann er diesen Strom nun lokal an umliegende Konsumenten verkaufen. Dazu braucht es aber eine Verrechnungsplattform, es braucht ein Vertragskonstrukt und Rahmenbedingungen. Hier können wir mit der Dorfstrom AG unterstützen. Wir übernehmen die komplette Umsetzung und die Verrechnung der Stromlieferungen.
Sprechen wir über die einzelnen Stromproduktionen, angefangen bei Photovoltaik. Im Sommer ist die Produktion hoch, im Winter tief.
Die Winterproduktion ist momentan bei der Photovoltaik noch ein Problem. hier helfen Fassadenanlagen, für welche es zukünftig mehr Förderbeiträge gibt und die ohne Baubewilligung erstellt werden können. Zukünftig werden vermehr saisonale Speicheranlagen zum Einsatz kommen. Es gibt Lösungsansätze, beispielsweise durch Umwandlung in Wasserstoff oder Methan, das bei Bedarf wieder rückverstromt werden kann.
Ist es denn überhaupt sinnvoll, noch möglichst viele Dächer mit Solarzellen auszustatten?
Dazu gibt es unterschiedliche Haltungen. Die Politik fördert den Solarausbau, der Luzerner Kantonsrat hat letztes Jahr beschlossen, dass auf Neubauten und bei Dachsanierungen Solarpanels installiert werden müssen. Für eine gute Wertschöpfung ist es wichtig, möglichst viel der vor Ort produzierten Energie in einem lokalen Cluster zu nutzen. Wichtig ist: wer Strom produziert, soll dafür einen fairen Preis erhalten. Nur wenn es sich lohnt, werden noch mehr Leute zu Stromproduzenten.
Ein wichtiges Element der Stromproduktion in Buttisholz sind die Holzblockheizkraftwerke.
Ja, eine grosse Anlage auf dem Weiler Schweikhüsern in Buttisholz produziert Strom, während mit Abwärme über das Fernwärmenetz das Dorf geheizt wird. Ebenfalls betreibt die Firma Tschopp ein Holzheizkraftwerk. Es ist vorgesehen, diese Anlage in den nächsten Jahren zu erweitern. Solche Anlagen haben den Vorteil, dass sie auch im Winter einen wichtigen Beitrag an die lokale Energieversorgung leisten können.

Nebst Holz als Energieträger wird immer wieder von Biogas gesprochen. Wie stehen Sie dazu?
Dieses Potential in unserer Region ist gross! Wir leben hier im Mekka der Biomasse. Es gibt in der Landwirtschaft viele Reststoffe, die in einer Biogas-Anlage verwertet werden könnten. Momentan gibt es erst wenige davon, doch das neue Raumplanungsgesetz hat die Auflagen dafür angepasst, sodass man zukünftig einfacher grössere Anlagen bauen kann. Die Technologie ist vorhanden, so können neue Anlagen vermehrt auch Gülle verarbeiten, indem nur die Feststoffe herausgefiltert und verarbeitet werden.
Ist auch Windenergie ein Thema für die lokale Energieversorgung?
Hier ist zu unterscheiden: grosse Anlagen werden wohl eher von den Energieanbietern gebaut. Doch für Kleinwindkraftanlagen gibt es viel Platz, sie haben 2 bis 3 Meter Durchmesser und können auf einem Industriedach oder gar einem Hausdach stehen. Die Leistungen sind nicht so hoch, doch können Sie helfen und beispielsweise im Winter auch Strom liefern.
Unternehmen wie die Dorfstrom AG wollen die lokale Stromproduktion fördern. Sind Quartiere oder gar ganze Gemeinden dereinst Strom-Selbstversorger?
Ja, gemäss unserer Energiestrategie sollte dies für Buttisholz und andere Gemeinden zukünftig machbar sein, jedoch noch nicht über das ganze Jahr. Wir sprechen deshalb von einer ausgeglichenen Energiebilanz. Wenn man auch die Speicherung wirtschaftlich hinbekommt, könnte dies auch ganzjährig funktionieren.
Damit treten Sie als Konkurrenz auf zu Energieproduzenten wie der CKW?
Mit dem neuen Energiegesetz haben Politik und Bevölkerung Ja gesagt zu mehr Wettbewerb mit den Instrumenten vZEV und LEG. Der Energiemarkt wird aber weiterwachsen. Ich glaube, die grossen Energieanbieter werden dies gut verkraften, zudem sind sie mit der Netzbereitstellung gut positioniert.
Wie sieht es bei den Konsumenten aus: ist das Bedürfnis für lokalen Strom da?
Wir glauben, dass die Leute bereit sind, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Dafür braucht es viel Überzeugungsarbeit. Konsumenten wollen die Sicherheit, dass jederzeit Strom aus der Steckdose kommt. Lokaler Strom sollte nicht teurer sein.
Nebst dem Gewerbe sehen Sie auch viel Potenzial bei der Landwirtschaft zur Stromproduktion. Weshalb?
Das könnte ein neues Geschäftsfeld für die Bauern sein, wie wir an einem Energie-Apéro unter dem Titel «Vom Landwirt zum Energiewirt» gezeigt haben. Wir haben da aufgezeigt, wie viel man mit Energie verdienen könnte, es ist ein beträchtlicher Anteil. Landwirtschaftsbetriebe haben grosse Dächer, damit könnte viel Energie erzeugt werden. Doch auch da gilt: es muss rentieren, sonst machen die Betriebe nicht mit.
Das Stichwort Wirtschaftlichkeit fällt immer wieder.
Es wird die Energiewende massgeblich beeinflussen. Early Birds, also jene Leute, die sich früh von einer Technologie begeistern lassen, sind begrenzt. Ebenso jene, die aus Sympathie oder für den Umweltschutz eine Anlage installiert haben. Zukünftig geht es darum, die Leute zu überzeugen, dass es rentabel ist, selber Strom zu produzieren. Dabei helfen wie anfänglich erwähnt die vZEVs und LEGs, weil damit höhere Preise erzielt werden können. Es braucht nicht nur Subventionen, sondern einen funktionierenden Markt.
Die Dorfstrom AG hat zum Ziel, nicht nur in Buttisholz lokale Produktion zu fördern, sondern auch andere Gemeinden zu animieren. Ist das Interesse da?
Wir erhalten viele Rückmeldungen weit über unsere Gemeinde hinaus, bis ins Bernbiet. Dafür suchen wir in den Gemeinden lokale Anker, also Personen, welche die Idee vor Ort verankern. Dafür ist viel Initiative und Marketing notwendig, man muss viel kommunizieren und auch Ängste abbauen. Es braucht viel mehr als einfach eine Infoveranstaltung.
Als Gemeinderat für Bau und Infrastruktur kennen Sie die Gemeindeimmobilien. Ist das Solarpotential bei diesen ausgeschöpft?
Wir sind sehr gut unterwegs. Die Energiegenossenschaft nutzt viele der Dächer. Im Dorfkern von Buttisholz mit dem geschützten Ortsbild nutzen wir die Möglichkeiten dort, wo es nicht störend ist. Und steht bei einer Immobilie eine Sanierung an, wird diese eigentlich immer mit einer PV-Anlage ausgerüstet.
Zum Schluss: Welche Möglichkeiten haben Privatpersonen, um bei der Energiewende mitzuhelfen?
Strom sparen dort wo es geht und Sinn macht. So stehen für die Warmwasseraufbereitung noch sehr viele Elektroboiler im Einsatz, ein Ersatz durch Wärmepumpenboiler spart bis zu 75 Prozent Energie. Und für lokalen Strom raten wir, sich möglichst zusammenzuschliessen, Cluster zu bilden, um Areale oder Quartiere mit eigener Energie zu versorgen.