Serie digiROTtal
Smartphones und Computer halten auch in Altersheimen zunehmend Einzug. Die Geräte dienen den Bewohnenden nicht nur zur Unterhaltung, sondern sind auch eine Unterstützung für das Pflegepersonal. Ein Ersatz für menschliche Kontakte soll die Technik aber nicht werden, wie ein Einblick in der Pflegewohngruppe Primavera in Buttisholz zeigt.
Mittagszeit in der Pflegewohngruppe Primavera in Buttisholz, das Essen wird abgeräumt. Noch rund ein Dutzend Seniorinnen und Senioren sitzen an ihren Tischen, einzelne trinken Kaffee. Einige führen leise Gespräche, jemand lacht. Was auffällt: anders als sonst in einem Restaurant liegt nirgends ein Smartphone auf dem Tisch. Ein Zufall? Nein, sagt Betriebsleiterin Laura Moitzi, das Gerät halte erst langsam Einzug im Primavera. Von den 22 Bewohnerinnen und Bewohnern sind vier mit digitaler Technik vertraut. Ein eher tiefer Wert gemäss einer Studie (siehe Interview Pro Senectute), Moitzi führt das auf das hohe Alter zurück: Wer in die Pflegewohngruppe eintritt, ist im Durchschnitt 88 Jahre alt. Und je älter, um so schwieriger sei es, kognitiv noch ein technisches Gerät zu bedienen, sagt Moitzi. Trotzdem glaubt sie, der Anteil digitaler Seniorinnen und Senioren werde in Zukunft noch steigen.

Für Alters- und Pflegeheime wie das Primavera bedeutet dies auch neue Bedürfnisse und Möglichkeiten. Im Haus hat man deshalb schon verschiedenste Investitionen in die Digitalisierung getätigt. Dazu gehört ein öffentliches WLAN, das Bewohner kostenlos für den Internetzugang nutzen können. Da auch das Notruf-System über das Netzwerk läuft, hat man zusätzliche Funksender eingebaut und das betriebliche WLAN vom Gäste-Zugang getrennt.
Standort-Überwachung nur in Absprache mit Angehörigen
Auch in der Pflege hat die Digitalisierung viel verändert. Schon seit langem erfolgt die Pflegedokumentation nicht mehr auf Papier, sondern elektronisch. Weiter sind Notfall-Uhren und Matten, die Stürze messen, im Einsatz. Und für die Aktivierung nutzt das Pflegepersonal auch Tablets mit Spielen. Die meisten Mitarbeitenden seien offen für solche Hilfsmittel, sagt Laura Moitzi, gerade jüngere seien als «Digital Natives» damit sehr vertraut. Sie mahnt jedoch auch, dass der Datenschutz und der Umgang mit sensiblen Informationen wichtig sei.

«Der menschliche Kontakt kann nicht durch eine Maschine ersetzt werden.»
Laura Moitzi, Betriebsleiterin Primavera Buttisholz
Dazu gehört etwa die Überwachung der Bewohnerinnen und Bewohner – ein heikles Thema. Verlassen sie das Haus, können sie einen kleinen Sender mit sich tragen, der dem Pflegepersonal auf der Google Maps-Karte jederzeit den Aufenthaltsort zeigt. Diese Kontrolle passiere jedoch immer in Absprache mit den Bewohnern und deren Angehörigen. Es müsse dabei stets abgewogen werden zwischen Freiheit, Selbstbestimmung und möglicher Gefahren, sagt Laura Moitzi.
Seniorinnen nutzen Computer zum Spielen und Googeln
Zu den digital fitten Seniorinnen im Heim gehört Annelies Suppiger. Die 84-Jährige ist Anfang Jahr ins Primavera gezogen. Ein Natel liegt auf der Kommode, doch telefoniere sie meist per Festnetz. Häufiger im Einsatz ist ihr Tablet-Computer, den sie seit dem Besuch eines Migros-Computerkurses besitzt. Sie nutze das Tablet täglich, sagt sie, zum Beispiel zum eMail schreiben oder zum Nachrichten lesen. Videos schaue sie über die SRF Play-App oder auf Youtube. Sie zeigt Fotos, die sie erhalten hat und sagt fröhlich, sie fotografiere mit dem Tablet ihre Mitbewohnerinnen oder einen schönen Blumenstrauss, den sie bekomme. So blieben die Erinnerungen präsent. Zudem bastle sie gerne und suche manchmal auf Google nach Ideen. Und schliesslich jasse sie auch gerne, am liebsten natürlich mit Mitbewohnenden, gerne aber auch mal gegen den Computer.

Gejasst wird auch ein paar Zimmer weiter, wo Anna Küttel an einem kleinen Pult am aufgeklapptem Laptop sitzt. «Ein Schieber», sagt sie. «Doch der Computer ist ein starker Gegner». Die 88-Jährige, die erst seit wenigen Wochen im Heim wohnt, nutzt den Computer meist für Spiele oder zum Radio hören. Auch den grossen Fernseher daneben braucht sie – sogar in Kombination mit dem Laptop. Das Programm für einen katholischen Sender, der keinen Teletext hat, schaut sie zuerst auf dem Laptop nach, bevor sie den Fernseher einschaltet. Schwerer tut sie sich momentan mit dem Schreiben von eMails, die Arthrose mache ihr Schmerzen. Anna Küttel begann sich erst im Alter von 80 Jahren für Computer zu interessieren: «Alle haben davon gesprochen, da wollte ich es auch noch lernen». Sogar über künstliche Intelligenz habe sie soeben gelesen, sagt sie und zeigt auf eine Ausgabe der Schweizer Familie. «Doch ich bin enttäuscht davon», meint sie schmunzelnd. «Ich habe gedacht, künstliche Intelligenz sei ein Wunderwerk». Doch die Maschine könne ja nur verbessern, was der Mensch mache.
Eine Maschine ersetzt den Menschen nicht
Das Thema der künstlichen Intelligenz (KI) beschäftigt, mittlerweile sind Anwendungen davon im Alltag angekommen. Heimleiterin Laura Moitzi kann sich vorstellen, KI in der Pflege zu nutzen. Sie erwähnt das Programm «Chat GPT» oder Übersetzungsdienste, die Pflegepersonal mit ungenügenden Deutschkenntnisse unterstützen könnten. Auch dass dereinst Roboter gewisse Aufgaben übernehmen, könne sie sich grundsätzlich vorstellen. Doch sie sagt auch warnend, Technik könne heute zwar sehr viel, doch dürfe der Mensch dabei nicht vergessen gehen: «Der menschliche Kontakt kann nicht durch eine Maschine ersetzt werden.» Geräte könnten zwar vieles messen, doch oft sehe nur ein geschultes Auge, ob es einer Person wirklich gut gehe. Im besten Fall könne die Technik das Pflegepersonal entlasten, damit dieses wieder mehr Zeit für die zwischenmenschlichen Kontakte habe. Sie glaubt deshalb nicht, dass das Pflegepersonal irgendwann nur noch hinter dem Computer sitzt: «Soziale Kontakte werden immer wichtig und unersetzbar bleiben. Die Kernkompetenz unseres Pflegepersonals ist die Arbeit mit Menschen.»