Begehrter Musik-Nachwuchs

Ein Instrument zu spielen ist für viele Jugendliche eine wichtige Freizeitaktivität. Doch die Konkurrenz durch andere Hobbies ist gross, das spüren auch Musikschule und Musikvereine. Spuren hat auch die Corona-Pandemie hinterlassen. Damit der Nachwuchs auch zukünftig musiziert, sind viele Anstrengungen nötig.

Rund ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler nehmen regelmässig ein Instrument zur Hand oder singen aktiv. Diesen Anteil nennt Christoph Bangerter, Leiter der Musikschule Oberer Sempachersee. Im Rottal dürfte der Wert ähnlich sein, auch wenn genaue Zahlen schwierig zu eruieren sind. Die Nachfrage nach Instrumentenunterricht sei nach wie vor gross, sagt Michael Barmet, Stellvertretender Leiter der Musikschule Rottal, obwohl sich das Hobby Musik gegen zahlreiche andere Vereine und Freizeitaktivitäten behaupten müsse: «Die Musikschule muss aktiv sein, Bedürfnisse erkennen und neue Angebote lancieren». So biete man neue Instrumente an wie seit diesem Schuljahr Harfe oder den Kurs «Audio Production», wo Jugendliche ihre eigene Musik und Beats produzieren.

Grosser Einbruch bei Blasinstrumenten

Doch ist Musizieren immer noch gleich gefragt wie vor ein paar Jahren? Die Musikschule Rottal, entstanden vor sieben Jahren aus der Fusion der einzelnen Gemeinde-Angeboten, meldet eine stabile Situation beim Musik-Nachwuchs. Ein Vergleich über einen längeren Zeitraum sei aufgrund der Fusion und zahlreichen Angebotsausbauten schwierig, sagt Michael Barmet. Es gäbe immer wieder Schwankungen bei einzelnen Instrumenten, was auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen sei. Den Corona-bedingten Rückgang habe man jedoch grösstenteils auffangen können.

«Die Nachfrage beim Blech ist um 25 Prozent eingebrochen.»


Christoph Bangerter, Leiter Musikschule Oberer Sempachersee

Ein anderes Bild zeigt sich bei der Musikschule Oberer Sempachersee, zu der auch Hellbühl und Neuenkirch gehören. Leiter Christoph Bangerter spricht von einem grossen Einbruch bei Blechblasinstrumenten. Er gibt ein Beispiel: in Neuenkirch starten sonst jährlich 4 bis 5 Trompeten-Anfänger, in diesem Schuljahr nur gerade einer. Bangerter schätzt, die Nachfrage sei beim «Blech» um rund 25-30 Prozent eingebrochen. Den Grund sieht er vor allem bei der Pandemie: «Blasinstrumente wurden verteufelt und galten – zu Unrecht – als Virenschleudern. Das hat viele vom Einstieg abgehalten.» Bangerter sagt, das werde die Vereine in ein paar Jahren treffen: «Doch in der Blasmusikszene wollen viele nicht wahrhaben, dass wir in einen Hammer laufen.» Auch sei Blasmusik nicht mehr trendy, etwas das man nur schwer beeinflussen könne. Bangerter glaubt, man werde früher oder später nicht mehr alle Blasmusik-Vereine erhalten können. Trotzdem mache man viel, um die Begeisterung bei den Jungen zu wecken: Dazu gehören Pausenplatz-Konzerte, zahlreiche Instrumentenparcours oder eine Instrumenten-App.

Viel Begeisterung für Klavier und Gitarre 

Während Blechinstrumente um Nachwuchs kämpfen, werden andere fast überrannt: «Bei Klavier und Gitarre haben die Anfragen in den letzten drei Jahren enorm zugenommen», sagt Christoph Bangerter, man erteile rund 25 Prozent mehr Lektionen. Auch in der Musikschule Rottal ist das Klavier seit Jahren klarer Favorit, aktuell lernen 108 Kinder das Tasteninstrument. Oft sei das Klavier auch ein Zweitinstrument, sagt Michael Barmet. Nach Klavier folgen bei der Beliebtheit die Gitarre, anschliessend Schlagzeug, Trompete, Cornet und Klarinette.

Das Angebot an den Musikschulen umfasst auch selten gespielte Instrumente. Im Rottal sind das etwa Harfe, Kirchenorgel, Panflöte oder Fagott. Es sind nur wenige Lernende, die pro Jahr diese Instrumente spielen. Ein «Exot» wäre gemäss Michael Barmet auch die Oboe. Doch in diesem Jahr spielen viele Schülerinnen das Blasinstrument. Barmet führt das auf eine sehr engagierte Musiklehrerin zurück.

Frühen Kontakt mit Musik fördern

Um Kinder für das Hobby Musik zu begeistern, ist ein früher Kontakt wichtig, sind sich die Musikschulen einig. Angebote wie das «Musiggröppli» der Musikschule Rottal sind bereits für 3-jährige möglich, in Begleitung der Eltern lernen Kinder im Kurs die Welt der Musik spielerisch kennen. Ab der ersten Klasse ist der Einstieg mit einem Instrument möglich. Früher meist Blockflöte, kommen mittlerweile auch Xylophon oder Ukulele als Start-Instrumente in Frage. Auch ein direkter Einstieg mit einem anderen Instrument sei möglich, sagt Michael Barmet. Der klassische Instrumentenunterricht startet meist ab der 3. Klasse. Daneben bieten Musikschulen immer mehr Möglichkeiten, um in Chören, Kleingruppen oder Orchestern zu musizieren: «Drum Heroes», die Young Brassers oder die Smilingband motivieren zum gemeinsamen Musikmachen. Die Ensembles sind an der Musikschule Rottal für Instrumentalschülerinnen und Instrumentalschüler kostenlos. Kinder sollen dort die Freude am gemeinsamen Musizieren spüren. «Mit anderen zusammen Musik zu machen, das fägt einfach», sagt Michael Barmet.

Das Buhlen um die Jungen

Ab dem 4. Schuljahr ist die Jungmusik Rottal eine Art Vorstufe zu den grossen Musikvereinen. Wer weiterhin Interesse am Musizieren hat, kann dann mit etwa 16 Jahren in einen solchen Verein übertreten. Doch auf dem Weg dahin beenden viele ihre musikalische Karriere: Antritt der Lehre, Besuch einer Schule, andere Interessen oder Wechsel des Kollegenkreises, die Gründe sind vielfältig. So tritt gemäss Christoph Bangerter nur  etwa ein Viertel der musizierenden Jugendlichen in einen Musikverein über.

«Es ist wichtig, nicht zu früh in einen grossen Verein überzutreten.»


Michael Barmet, Stv. Leiter Musikschule Rottal

Ein wichtiger Schritt, der gut geplant sein will, wie Michael Barmet sagt: «Es hilft den Jugendlichen, wenn sie nicht zu früh schon in einen grossen Verein übertreten, sondern zuerst ihre musikalischen Fähigkeiten festigen.» Gleichzeitig sind die Vereine auf Nachwuchs aus. Eine nicht ganz einfache Situation, insbesondere im Rottal mit verhältnismässig vielen Musikvereinen: Werthenstein, Hellbühl und Buttisholz haben je einen Verein, Grosswangen zwei, in Ruswil sind es mit der Ortsmusik Rüediswil, der Bergmusik Sigigen und dem Musikverein Ruswil sogar deren drei. Damit sich die Vereine nicht gegenseitig die Jugendlichen abwerben, gibt es seit einigen Jahren eine Koordinationssitzung unter Einbezug der Musikschule. So sollen die Vereine motiviert werden, die Jugendlichen nicht zu früh für den Verein anzufragen. Am Schluss liegt der Entscheid für einen Vereinsbeitritt jedoch bei den jungen Musizierenden. Und dabei zählt laut Michael Barmet «wie ein Verein tickt, welche Literatur er spielt und ob er offen ist für Neues». Oft würden Jugendliche sich für den Verein entscheiden, bei dem schon Kolleginnen und Kollegen mitspielen und sie nach einer Schnupperzeit ein gutes Gefühl hätten.

Noch kaum Nachwuchssorgen bei den Vereinen

Haben die Musik-Vereine Mühe, junge Musikantinnen und Musikanten zu finden? Auf Anfrage zeigt sich ein differenziertes Bild. «Zum Glück momentan keine Nachwuchsprobleme», heisst es bei Bernard Hodel, Präsident der Feldmusik Grosswangen. Es gebe zwar immer mal wieder Lücken und auch schwächere Jahrgänge. Der Verein aber mache viel, um die Nähe zum Nachwuchs zu halten. Dazu gehöre etwa ein Kinderkonzert alle zwei Jahre, um den Jüngsten das Orchester und die verschiedenen Instrumente zu präsentieren. 

Auch bei der Feldmusik Buttisholz heisst es, man sei aktuell gut besetzt und habe genügend eigene Mitglieder für Konzerte und Auftritte. Präsident André Haas nennt mehrere Gründe: ein sehr engagierter Dirigent, der den Musik-Nachwuchs im Dorf kenne, ebenso die Plattformen, die man den Nachwuchsformationen an den Jahreskonzerten biete. Trotzdem brauche es vermehrt Anstrengungen, um gut ausgebildeten Musiknachwuchs zu finden.

«Es braucht vermehrt Anstrengungen, um guten Nachwuchs zu finden.»


André Haas, Präsident Feldmusik Buttisholz

Die Zahlen der Blasmusik-Lernenden seien rückläufig, sagt Toni Muff, Präsident der Feldmusik Hellbühl. Doch sei der Verein gut aufgestellt und könne regelmässig Nachwuchs aufnehmen. Die Feldmusik mache viel, um Jugendliche für Musik zu begeistern und spreche immer wieder aktiv Personen an. Auch unterstützte man Anlässe der Jugendformationen als Helfer oder Zuschauer. Im Vorstand sei zudem eine Person für Nachwuchsarbeit zuständig.

Christoph Bucher vom Musikverein Ruswil sagt, der Verein kämpfe seit langer Zeit um genügend Nachwuchs. Viele würden beim Start in eine Berufslehre die Jungmusik verlassen und nachher nicht wieder in einen Verein eintreten. Der Musikverein versuche, die jährlichen Zusammenkünfte von 65 auf rund 40 zu reduzieren und damit Jugendlichen entgegenzukommen. Auch verzichte man auf kurzfristige Anlässe und nehme nicht regelmässig an Wettbewerben teil.

Dass auch in Zukunft viele Jugendliche Musik machen, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Geht es nach Michael Barmet, soll der Stellenwert des Musikunterrichts zukünftig noch steigen. Denn Musikmachen sei auch gut für die Entwicklung: «Es fördert das Hirn und die Koordination auf eine andere Art.» Und hängt noch einen Werbespot fürs Musizieren an: «Heutzutage wird sehr viel Musik konsumiert. Wenn man diese auch selber produzieren kann, ist es noch viel spannender.»