Grosser Service für 1 600 Orgelpfeifen

Nach 36 Jahren steht die erste grosse Revision der Orgel in der St. Verenakirche an. Die Orgel­pfeifen werden dabei nicht nur gereinigt, sondern wieder in die richtige Form gebracht und neu gestimmt. Orgelbauer Stephan Wioland bringt viel Erfahrung mit und zeigt eine historische Besonderheit, die hinter der Buttisholzer Orgel steht.

Fein säuberlich sortiert lagern die 1600 Orgelpfeifen auf der Empore.

Auf der Empore der Buttisholzer Kirche lagern momentan überall Orgelpfeifen. Einige liegen ausgebreitet in Regalen, andere stehen fein säuberlich in Kartonschachteln, die grössten aus Holz stapeln sich aufeinander an der Wand, 1 600 sind es insgesamt. Stephan Wioland leitet die Revision der Orgel und hat den Überblick über das vermeintliche Durcheinander: «Das hat System», sagt er mit Blick auf die vielen unterschiedlichen Metallröhren, «ich weiss von jeder Pfeife genau, an welchen Platz sie gehört». Für die Reinigung bläst Wioland mit einem Hochdruckbläser in die grossen Pfeifen, um sie vom Staub zu befreien. Aussen kommen Wasser und Putzlappen zum Einsatz. Damit ist es nicht getan. Einige der grossen Pfeifen sind verbogen, wie der prüfende Blick des Fachmanns ergibt: «Die Legierung aus Zink und Blei ist ein weiches Material. Durch das Eigengewicht verbiegt es sich mit der Zeit.» Behutsam drückt Stefan Wioland die Pfeifen zusammen mit seinem Arbeitskollegen Gabriel Stähli wieder gerade. Einzelne metallene Füsse der Orgelpfeifen sind gequetscht, sodass die Luft nicht mehr sauber hineinströmt. Die Metallformen werden nachgebildet und angelötet.


Gabriel Stähle bringt den Fuss einer Pfeife wieder in die richtige Form.

Orgeln sind unterhaltsintensive Instrumente. Mindestens einmal jährlich steht ein «kleiner Service» an für Reinigung oder kleine Schäden. Auch gestimmt wird das Instrument immer mal wieder. Und dann gibt es den «grossen Service» wie bei der Buttisholzer Orgel, der erste seit dem Einbau vor 36 Jahren. Dabei werden sämtliche Pfeifen ausgebaut, die Orgel gereinigt, alle Teile auf ihre Funktion hin geprüft.

An einer Orgel wie in Buttisholz sind hunderte bewegliche Teile verbaut. Die Verbindungen der vielen Züge sind mechanisch und laufen über Wellen zu den Registern. Einiges davon nutzt sich mit der Zeit ab, verbiegt oder macht störende Geräusche. Die Luft, die beim Spielen in die Pfeife geblasen wird, hinterlässt eine feine, russige Ablagerung auf dem sonst glänzenden Metall. «Je mehr Verkehr und Feinstaub um eine Kirche he­rum sind, je mehr verschmutzen auch die Orgeln», sagt Wioland. Der Orgel-Spezialist zeigt sich zufrieden mit dem Start der Revisionsarbeiten. Überraschungen gab es keine. Das Instrument in Buttisholz sei eine sehr typische Orgel, sagt Wioland: «Genau so stelle ich mir eine klassische, mechanische Orgel vor».

Die kleinste zwei Zentimeter, die grösste 4.80 Meter

Diese klassische Orgel mit Baujahr 1988 verfügt über 26 Register. Die kleinste Pfeife ist gerade mal 2 Zentimeter gross, während die längste Holzpfeife mit quad­ratischer Grundform 4.80 Meter in die Höhe ragt. Nicht nur in der Grösse, auch in der Bauform und im Material unterscheiden sich die Pfeifen der einzelnen Register. Einige sind offen, andere haben einen Deckel, wieder andere «Bärte». Am schwierigsten zum Reinigen und Stimmen sind die Zungenpfeifen. Wie bei einer Klarinette erfolgt die Tonerzeugung durch ein schwingendes Zungenblatt. Es braucht viel Erfahrung und Fachwissen, um die Zungen richtig zu justieren.

Stephan Wioland ist gelernter Orgelbauer und betreut über 150 Orgeln in der ganzen Schweiz.

Mit den Registern können so verschiedene Instrumente nachgespielt werden. Einige klingen wie Trompeten, andere wie Flöten. «Ein ganzes Orchester wird in ein Instrument gepackt», schwärmt Wioland, «darum ist die Orgel auch die Königin der Instrumente».

Der Orgelbauer spielte selber an der Buttisholzer Orgel

Die Begeisterung für sein Handwerk ist dem 59-Jährigen im Gespräch anzuhören: «Der Klang und die Energie einer Orgel in einem Raum hat mich schon immer fasziniert.» In Davos geboren und aufgewachsen, tat es Wioland seinem Vater gleich: er machte zuerst eine Lehre als Schreiner und lernte danach Orgelbauer. Auch als Organist liess sich Wioland ausbilden und war ab 1988 einige Jahre Organist in Nottwil. In dieser Funktion spielte er auch mal aushilfsweise an der Orgel in Buttisholz. An die Einweihungsfeier 1988 erinnert er sich noch: «Am Morgen spielte ich in der Kirche Nottwil, am Nachmittag war ich Zuhörer der neuen Orgel in Buttisholz».

Jede Pfeife wird geputzt und gestimmt.

Nun wohnt Wioland in Dietwil und arbeitet für die Firma Kuhn Orgelbau, deren Tochterfirma Cäcilia die Buttisholzer Orgel damals baute. «Orgelbauer im Aussendienst» steht heute auf seiner Visitenkarte. Das bedeutet: Wioland betreut rund 150 Orgeln, zwischen Basel und Chiasso, einige zudem in Deutschland. Er kümmert sich um die regelmässige Wartung oder plant grosse Unterhaltsarbeiten wie jene in Buttisholz.

Revision dauert sechs Wochen

Die Revision in der St. Verena-Kirche dauert rund sechs Wochen. Kirchmeier Gery Emmenegger sagt, man hätte diese gerne schon letztes Jahr durchgeführt, doch die angefragten Spezialfirmen waren alle schon ausgebucht. Ein Gremium aus dem Kirchenrat zusammen mit einem Musikfachspezialisten entschied sich aus mehreren Offerten für das Unternehmen Kuhn. Dieses habe grosse Erfahrung, unter anderem mit der Orgel in St. Urban oder der Hofkirche Luzern. Für die Revision sind rund 50 000 Franken budgetiert. Während den Arbeiten im Mai/Juni stünden keine grossen kirchlichen Anlässe auf dem Programm, sagt Gery Emmenegger. Denn die Orgel sei das zentrale Begleitinstrument in der Messe, momentan würde in den Gottesdiensten E-Piano oder Blasmusik gespielt.

Gemäss Gery Emmenegger tönt die Buttisholzer Orgel besonders schön. Denn als die Kirche 1914 mit einem Anbau erweitert wurde, habe man die Orgel so platzieren können, dass sich der Klang ideal im Raum verteile. Auch optisch präsentiert sich das Instrument auf der Empore gut, sie steht mittig, mit viel freiem Raum rundherum.

Früher bedienten Randständige die Blasbälge

Diesen Platz hat man in Buttisholz für eine Besonderheit genutzt: Hinter der Orgel stehen zwei überdimensionale Blasbälge, jeder etwa zwei Meter lang und ein Meter breit.

Ein historisches Relikt: die grossen Blasbälge dienten früher der Winderzeugung für die Orgeln.

Früher dienten sie der Erzeugung vom Wind, den es zum Spielen der Orgel braucht. Heute ist dafür ein Motor im Einsatz, das einzige elektrische Element am ganzen Instrument. So sind die Blasbälge nun eine Art historische Relikte und nur noch zu Demonstrationszwecken im Einsatz. Vor der Elektrisierung jedoch waren sie Antrieb für eine Orgel. Damit Luft durch die Pfeifen strömte und einen Klang erzeugte, mussten die beiden mit Gewicht beschwerten Bälge immer wieder nach oben gezogen werden, worauf sie etwa eine halbe Minute lang nach unten sanken und das Instrument mit Luft versorgten. Die Aufgabe hätten früher in den Kirchen oft Randständige gemacht, die man mit einer Flasche Schnaps entlöhnte, weiss Wioland. Auch an den Winderzeugern zeigen sich die Spuren der Zeit. Das Leder des Balgs ist an den Ecken löchrig und muss in die Reparatur.

Die kleinsten Pfeifen sind 2 Zentimeter lang, die längen aus Holz 4.80 Meter (Foto).

Ende Juni sollen die Unterhalts- und Putzarbeiten abgeschlossen und alle Pfeifen wieder am richtigen Platz in die Orgel eingesetzt sein. Die Arbeit von Stephan Wioland ist damit noch nicht abgeschlossen. Jede Pfeife eines Registers wird einzeln gestimmt, die Lautstärke und Tonlage geprüft und fein justiert, bis die Königin der Instrumente wieder ihren mächtigen Klang in der Kirche verbreitet.