Hansruedi Suter zeigt mit seinem Hobby, das Legos viel mehr sind als ein Kinderspielzeug. Im Porträt erzählt der 59-Jährige, warum er sich auf die Weihnachtsferien freut, was Legobauen mit seinem Job zu tun hat und dass er sein Lieblingsmodell schon im echten Einsatz sah.
Ein Finger drückt auf das Display des Natels. Die Raupen des Fahrzeugs beginnen sich mit leisem Klacken zu drehen, der gelbe Bulldozer setzt sich in Bewegung. Die Maschine fährt nach rechts und hebt die grosse Schaufel an. Schliesslich klappt auf der Seite eine kleine Leiter herunter. Hansruedi Suter lächelt: «Schon cool, oder?»

Der Bulldozer ist eines von über 30 Lego-Modellen, das im Zimmer des Bastlers steht – fein säuberlich eingereiht in Gestellen im Dachstock des Hauses in Hellbühl. Jährlich kommen etwa zwei bis drei neue dazu.
Ein Spielzeug für Erwachsene
Wer bei Lego nur an Kinderspielzeug denkt, wird von Suter eines Besseren belehrt. «Ich habe gar kein Problem, mich als Lego-Bauer zu outen», meint der 59-Jährige. Die farbigen Steine, vor allem von Lego Technics, faszinieren nämlich Gross und Klein. «Und wenn ich davon erzähle, sagen plötzlich andere, dass sie ebenfalls Modelle zu Hause haben». Auch brauche es einiges an Fingerfertigkeit beim Zusammenbauen. Er zeigt in der Anleitung auf Schritt 271 eines kleinen Liebherr-Baggers. «Hier muss man zum Beispiel die Länge der Zylinder genau richtig justieren, sonst wird nachher die Schaufel schräg angehoben.» Wie so viele spielte auch er als Kind mit Legos und versuchte sich an eigenen Konstruktionen: «Ich wollte Kräne nachbauen, die ich auf der Baustelle nebenan sah. Doch die Kräfte, die wirkten, hatte ich nicht so im Griff. So musste ich die Legosteine mit Klebstreifen zusammenhalten, das war ein ziemliches ‘Gfuscht’.» Heute sei bei ihm der Einsatz von Leim ein Tabu. Später spielte er dann mit seinen beiden Töchtern Lego. So richtig packte es den Hellbühler wieder, als Lego Technics auf den Markt kam. Dabei werden Fahrzeuge oder Maschinen nachgebaut, die sich dank der eingebauten Technik bewegen lassen. Anfänglich mit Luftdruckpumpen, mittlerweile mit Motoren und Fernsteuerung über eine App. Hansruedi Suters erstes Modell war ein mächtiger Schaufelradbagger, wie er in Kohlegruben zum Einsatz kommt. Später kamen viele Lastwagen, Kräne oder Rennautos dazu.
«Eine Original-Maschine nachzubauen ist Faszination pur.»
Eine Original-Maschine mit Mechanik nachzubauen sei Faszination pur, erklärt Suter. Er betont die hohe Qualität der farbigen Steine: «Alle Teile sind sehr präzise und detailgetreu gefertigt.» Und auch die Bauanleitungen seien – anders als manche für ein Möbelstück – sehr klar und für jedermann machbar. So gelinge der Zusammenbau jedem, der sich Schritt für Schritt an die Anleitung halte. Ausdauer aber brauche man: «Man muss sich das fertige Modell verdienen.»

Sein Lieblingsmodell in echt im Einsatz
Beim Bulldozer braucht es dafür 1138 Arbeitsschritte, um die 3854 Teile richtig zu verbauen. Die Anleitung umfasst zwei Bücher mit über 800 Seiten. Original wiegt die Planierraupe von Caterpillar mit der Bezeichnung CAT D11 über 100 Tonnen, das Miniaturmodell von Lego immerhin sechs Kilogramm. Sein Lieblingsmodell habe er schon im richtigen Einsatz gesehen, schwärmt der Bastler: «Als wir im Geschäft eine neue Halle bauten, konnte ich der Maschine draussen zuschauen.» Damit sein Modell fahrtüchtig war, hat er rund 50 Stunden lang Teile zusammengesetzt. Und demonstriert gerne die vielen Details wie Raupen, die sich nachspannen lassen, der bewegliche Aufreisser am Heck oder das digitale Cockpit in der Lego-App.
Auch im Beruf knobelt er gerne
Für den Bau hat Suter ein eigenes Ordnungssystem. Er sortiert zuerst sämtliche Teile fein säuberlich: Zahnräder nach Grösse, Stäbe der Länge nach, alle Klötzchen nach Farbe in kleine Porzellanschalen geordnet.
„Da hat meine Frau jeweils nicht so Freude, wenn ich alle Schüsselchen brauche.“
«Da hat meine Frau jeweils nicht so Freude, wenn ich alle Schüsselchen brauche», lacht er. Dafür gehe das Bauen nachher viel einfacher und mache mehr Freude, als wenn man dauernd Teile suchen müsse. Ärgert er sich trotzdem ab und zu? «Nein», sagt er, fluchen höre man ihn nie. Gibt es irgendwo ein Problem, ist eher das Gegenteil der Fall: ihn packt der Ehrgeiz herauszufinden, wo der Fehler liegt.

Diese Eigenschaft macht ihm auch in seinem Beruf Spass: Der gelernte Landmaschinenmechaniker leitet in der Pistor in Rothenburg das Team der Gebäudetechnik, das sich um Heizung, Lüftung, Klima oder die Alarmanlagen kümmert. Und «freut» sich auch dort über Probleme: «Wenn ich Pikett habe und ein Alarm kommt, weil eine Kühlanlage ausgestiegen ist, geht das Knobeln los: Woran könnte es liegen? Was muss ich machen, damit die Maschine wieder läuft?» Er und sein Team wollen möglichst viel selbst lösen, bevor ein Spezialist aufgeboten wird.
Ordnung ist ihm wichtig, sowohl im Job als auch bei seinen Modellen. Bevor eine fertig gebaute Maschine ins Gestell kommt, prüft er alle Detail. Und richtet sogar die kleinen Schlitze der «Dübel» so aus, dass alle in die gleiche Richtung schauen: «Es muss einfach schön aussehen!»
«Ein neues Modell muss mich packen»
Im Internet lassen sich die Funktionen der Legomodelle im Detail studieren. Suter überlegt sich gut, was er erstehen will: «Ich mache keine Spontankäufe, sondern wäge gut ab, ob es mir auch passt. Ein neues Modell muss mich packen».
«Der Bulldozer CAT D11 besteht aus 3854 Teilen, die Anleitung ist über 800 Seiten dick.»
Die Bausätze kosten immerhin zwischen 300 und 500 Franken. Die Qualität sei den Preis jedoch wert. Die Maschinen weiterverkaufen will er nicht: «Ich mache dieses Hobby für mich». Und obwohl man bei Lego Ideen einreichen könne, wolle er keine eigenen Modelle kreieren: «Es würde mich schon reizen, doch dafür brauche man unzählige Teile an Lager.» Einen Vorschlag an das Unternehmen hat der Lego-Fan aber doch: «Es wäre toll, wenn die Fahrzeuge bemannt wären und jemand am Steuer sässe.»
Lieber selber bauen als anschauen
Lego spielen ist wieder in Mode, das bestätigt auch Hansruedi Suter. Legos spreche sowohl kreative Leute an wie auch Tüftler oder technisch Interessierte. Und dank Internet könne man heute eine Vielzahl von Modellen kaufen. Lego-Messen oder Ausstellungen sind jedoch nicht sein Ding: «Ich bastle lieber selber herum als etwas einfach anzuschauen.» Und der bekannte Park in Deutschland? «Nein, im Legoland war ich noch nie!». Seine Modelle mal irgendwo auszustellen könnte er sich vorstellen. «Aber nur wenn es thematisch passt». Doch die Öffentlichkeit suche er mit seinem Hobby nicht, er bastle und tüftle gerne für sich. Nebst Legos baut er auch andere Technik-Modelle zusammen, wie die vielen Elektronik-Teile auf dem Pult seines Bastelraums zeigen.
Vorfreude auf die Weihnachtszeit
Wer nun glaubt, Suter sei ein «Nerd», der sich am liebsten in einem dunklen Zimmer verkriecht, täuscht sich. Er ist viel auf dem Rennvelo unterwegs, oft gemeinsam mit seiner Frau. Auch den täglichen Arbeitsweg nach Rothenburg nimmt er pedalend unter die Füsse – im Gegensatz zu seinen Lego-Modellen ohne Strom-Unterstützung. «Lego-Bauen ist mein Schlechtwetter- und Winterprogramm», meint er. Tradition habe die Weihnachtszeit, wo meist ein neues Modell entstehe: «Meine Frau puzzelt am Tisch, ich setze daneben Legos zusammen, manchmal läuft dazu noch ein schöner Film». Auch für dieses Jahr steht schon eine grosse Kiste bereit – ein amerikanischer Abschlepptruck. «Das wird mein Weihnachtsprojekt», sagt der Bastler mit einem Schmunzeln. Bis dahin bleibt die Box noch verschlossen, wie ein Geschenk, das man erst am Heiligabend auspacken darf.