Einkaufen, Tanken oder Rechnungen bezahlen – für unser Leben brauchen wir täglich viel Geld. Trotzdem wird es je länger je unsichtbarer. Kreditkarte oder Natel ersetzen Münzen und Noten. Geld ist zu einem virtuellen Gut geworden, das wir kaum mehr in unseren Händen halten. Ein Einblick in die neue Welt des Bezahlens in unserer Region.
Früher gab es die Lohntüte, später brachte der Pösteler noch die AHV an die Haustür. Das sind längst vergangene Zeiten. Heute sind unsere Einkünfte nur noch als abstrakte Zahl auf dem Bankkonto sichtbar. Und auch beim Geld ausgeben greifen viele immer mehr auf die virtuelle Währung zu. Kartenzahlungen sind für grössere Beträge schon lange üblich. Seit ein paar Jahren nimmt auch das digitale Bezahlen von Kleinbeträgen mit dem Mobiltelefon zu.
In der Schweiz heisst die digitale Bezahllösung Twint. Das Unternehmen, gehört verschiedenen Banken und ist seit sieben Jahren aktiv. Die letzten Jahre ist es stark gewachsen: mittlerweile kann damit an Parkuhren, im Restaurant, bei Online-Käufen oder beim Detaillisten bezahlt werden. Auch Geldüberweisungen zwischen Privatpersonen sind mit ein paar wenigen Klicks möglich.
Im Hofladen per Natel bezahlen
Der Hofladen des Schulerhofs in Grosswangen bietet ein breites Sortiment an Eiern, Mais-Chips, Urdinkel- und Weizen-Mehl oder Süssmost. An 365 Tagen im Jahr kann sich die Kundschaft mit feinen Produkten vom Hof eindecken. Bezahlt wird mit Bargeld in die bereitgestellte Kasse oder per Twint. Bäuerin Anita Wüest ist überzeugt von der digitalen Zahlung: «Viele Kunden spazieren bei uns vorbei und haben nur ihr Natel dabei. Dank Twint können Sie trotzdem einkaufen.» Der Schulerhof führte die Möglichkeit im Herbst 2019 ein, als sie bei Hofläden noch weniger bekannt war. Gerade noch rechtzeitig vor Corona: Während der Pandemie legten Hofläden stark zu, gleichzeitig wurde Bargeld verpönt. Mittlerweile bezahlen im Laden rund 60 Prozent der Kundinnen und Kunden mit dem Natel. Darin sieht Anita Wüest fast nur Vorteile. Für potentielle Diebe liegt weniger Bargeld in der Kasse. Die Abgabe an Twint von 1.3 Prozent pro Zahlung nimmt sie dafür in Kauf. Und viele Kunden runden den Betrag beim Bezahlen auf, was einen Teil der Gebühren aufwiegt.

Verleitet Twint die Kunden dazu, eher mal etwas mitlaufen zu lassen? «Wer etwas nicht bezahlen will, kann das – egal ob er mit Bargeld oder Twint bezahlt», sagt Anita Wüest. Es gebe überall schwarze Schafe, doch die grosse Mehrheit der Kundschaft sei sehr ehrlich. Trotzdem: Von ihrer Stube aus hat sie den Hofladen im Blick. Und eine Kamera bietet Einblicke für Stichkontrollen.
Wenn der Kunde per Natel bezahlt, hört Anita Wüest am Klingeln des SMS, ob der Einkauf geklappt hat. «Twint ist cool, wir möchten es nicht mehr missen!»
Kreditkarte auch fürs Café Crème
Auch Philipp Felber, Inhaber vom Restaurant Pony in Sigigen, sieht viele Vorteile bei der Bezahlung mit dem Mobiltelefon: «Es ist sehr einfach geworden, seit der Twint-Code auch auf unserem Bezahlgerät drauf ist.» Trotzdem bezahlt erst ein kleiner Teil der Gäste mit Twint. Über die Hälfte braucht dafür die Kreditkarte. Fürs gediegene Essen am Abend wird laut Felber fast nur noch mit Karte bezahlt.

«Man darf nicht jede Buchung hinterfragen. Im Gesamten hat es für uns auch viele Vorteile, wenn mit Twint oder Karte bezahlt wird.“
Philipp Felber
Inhaber Restaurant Pony in Sigigen
Doch auch das Café Crème darf man im Pony mit Kreditkarte oder Twint bezahlen, so Felber: «Die Velofahrer haben uns davon überzeugt.» Beim Radeln ist oft nur noch eine Karte oder das Natel dabei. Und da man mittlerweile bei den meisten Karten und bei Twint einen Prozentsatz des Betrags abgebe, spiele es keine Rolle, ob nur ein Getränk oder ein ganzes Essen damit bezahlt werde. Die Gebühren sind umsatzabhängig, der Kartenanbieter verrechnet rund 1.5 Prozent für eine Überweisung, bei Twint sind es 1.3 Prozent. Einzig bei der Postcard werden fix 25 Rappen pro Transaktion fällig – gut für hohe Beträge, schlecht für die Kaffee-Bezahlung. Aufregen darüber mag sich der Pony-Wirt nicht: «Man darf nicht jede Buchung hinterfragen. Im Gesamten hat es für uns auch viele Vorteile, wenn mit Twint oder Karte bezahlt wird. Es passieren weniger Fehler und wir haben weniger Bargeld im Haus.» Früher seien die Kommissionen noch sehr hoch gewesen, dank dem Engagement des Gastroverbands seien es nun faire Gebühren.
Die Frage nach dem Trinkgeld
Geben die Gäste eher weniger Trinkgeld, wenn sie mit Karte oder Mobiltelefon bezahlen? Felber sagt, da spüre man keinen Unterschied, jedoch: «Manchmal muss man dem Gast zuerst erklären, dass das Trinkgeld zum Servierpersonal geht, auch wenn es per Karte überwiesen wird. Doch das rechnen wir intern ab.» Die digitalen Zahlungsmittel würde Felber nicht mehr hergeben: «Neuem kann man sich nicht verschliessen. Man muss mitgehen, wenn man zufriedene Kunden will.»
Im Rössli Ruswil ist Bezahlen per Twint nicht möglich. «Die Gebühren sind bei uns höher als für die Kreditkarte», sagt Geschäftsführer Christian Mathis. Und ergänzt, mit dem Natel könne man trotzdem bezahlen, wenn da die Kreditkarte hinterlegt sei. Und auch sonst finde man immer eine Lösung für den Gast. Und wie sieht es mit dem Trinkgeld aus? In der Tendenz sei es wohl etwas weniger, meint der Rössli-Wirt: «Es geht eher einmal vergessen, bei der Kartenzahlung noch aufzurunden.»
«Zum Geld überweisen zücken alle Mitglieder ihr Telefon»
Twint ist auch bei Vereinen beliebt. So auch bei der Feldmusik Hellbühl, wie Präsident Toni Muff sagt. Beim jährlichen Gönnerbrief konnte man auch Beiträge per Twint spenden. Nur rund 5 Prozent haben davon Gebrauch gemacht. Trotzdem glaubt Toni Muff, dass die Zahlungsform heute dazugehöre. Für eine Spende bezahlt der Verein 2.5 Prozent Gebühren, die Zahlung läuft über die Plattform «RaiseNow». Sie liefert dem Verein nebst dem Betrag auch den Namen des Spenders.
Die Zahlung mit Mobiltelefon soll auch am grossen Fahnenweihe-Fest Anfang September möglich sein. Bier oder die Bratwurst können dann laut Muff mit Twint bezahlt werden: «Viele haben heute im Ausgang kaum noch Bargeld dabei.» Doch die elektronische Überweisung birgt auch Gefahren. In der Fasnachtszeit gab es einzelne Meldungen über Betrugsfälle mit Twint. Muff ist die Thematik bekannt. Das OK will das Personal gut schulen, wie die Zahlungen richtig kontrolliert werden.
Am häufigsten wird Twint unter den Musikanten und Musikantinnen selber genutzt. Skiweekend, Vereinsausflug oder Geschenke, beim Einkassieren gehe es mit Twint am einfachsten und schnellsten, so Toni Muff. «Vom 15-jährigen Neumitglied bis zum 70-jährigen Musikanten, alle zücken das Natel und überweisen das Geld im Nu.»
Nutzung von Bargeld nimmt ab
In den letzten Jahren hat das Bezahlen mit Twint – auch dank der Pandemie – in der Schweiz stark zugelegt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung nutzt laut Twint mittlerweile das Zahlungsmittel – zum Bezahlen an der Kasse, im Internet, im Hofladen. Ein Drittel der Transaktionen sind laut Twint Geld-Überweisungen zwischen Privatpersonen.

Grafik Swiss Payment Behaviour Lab
Im internationalen Vergleich gilt die Schweiz bisher noch als Land des Bargelds. Das könnte sich bald ändern: Münz und Noten haben in den letzten zehn Jahren stark an Bedeutung verloren (siehe Grafik). Noch weiter geht der ÖV in der Schweiz: bis 2030 sollen klassische Billettautomaten und damit auch der Münzschlitz verschwinden.