Neu gehört die Spielgruppe in Hellbühl organisatorisch zur Schule. Das hat auch damit zu tun, dass im Kanton Luzern seit diesem Schuljahr alle Gemeinden eine frühe Sprachförderung anbieten müssen.
Die frühe Sprachförderung basiert auf einem kantonalen Konzept und ist schon seit 2016 im Volksschulbildungsgesetz verankert. Nach einer Übergangsfrist müssen seit dem 1. August 2024 sämtliche Gemeinden im Kanton eine Förderung anbieten. Die konkrete Umsetzung ist den Gemeinden überlassen.

Was ist mit früher Sprachförderung gemeint? Gemäss Konzept sollen Kinder im Vorschulalter schon beim Lernen der deutschen Sprache unterstützt werden, sodass sie beim Schuleintritt gute Chancen haben mitzuhalten. Die Minimalvariante sieht vor, im Kindergarten Förderangebote zu schaffen. Viele Gemeinden haben sich jedoch entschieden, den von der Dienststelle Volksschulbildung Luzern empfohlenen Weg zu wählen und früher damit zu starten. So auch Neuenkirch mit den drei Gemeindeteilen Sempach-Station, Neuenkirch und Hellbühl. In den jeweiligen Orten übernehmen die Spielgruppen die Aufgabe und fördern zukünftig Kinder mit ungenügenden Sprachfähigkeiten.
„Das Kommunikationsverhalten hat sich mit den digitalen Medien verändert. Viele Kinder haben weniger Austausch mit Gleichaltrigen.“
Rahel Indermaur, Schulleiterin Förderpädagogik Neuenkirch
Schulleiterin Rahel Indermaur erklärt, warum sich Neuenkirch für eine möglichst frühe Förderung entschieden hat: «Die Forschung zeigt, dass in der frühkindlichen Phase bis 4 Jahre sehr viel passiert und die Bildungswege vorgezeichnet werden.» Die frühe Förderung sei ein Beitrag für mehr Chancengleichheit und erhöhte Bildungschancen, insbesondere für Familien mit Migrationshintergrund.
Nicht nur fremdsprachige Kinder
Kritischen Stimmen, dass Kinder damit noch früher ins Schulsystem integriert werden, entgegnet Rahel Indermaur: «Es geht nicht um einen früheren Schulstart, sondern um eine gezielte, spielerische Förderung der Sprache und Kommunikationsfähigkeit in jungen Jahren.» Wie gut man eine Sprache spreche, habe grossen Einfluss auf die soziale und schulische Entwicklung, ebenso wie auf die Konfliktlösungsfähigkeit.
Nicht nur fremdsprachige Kinder zeigen Sprachauffälligkeiten. Auch einzelne Kinder aus deutschsprachigen Familien haben einen Förderbedarf. Dazu trägt laut Indermaur ein verändertes Kommunikationsverhalten bei, durch den gestiegenen Konsum digitaler Medien. Aber auch, dass Kinder eher in Kleinfamilien aufwachsen und so oft weniger Austausch mit Gleichaltrigen haben. So gebe es in der frühen Kindheit weniger direkte sprachliche Interaktion, was sich in der Sprachfähigkeit der Kinder zeige.
10 bis 15 Prozent haben einen Förderbedarf
Um zu klären, welche Kinder einen Förderbedarf haben, führen die Gemeinden eine standardisierte Umfrage durch (siehe Kasten). So hat Neuenkirch in diesem Frühling rund 100 Fragebogen verschickt an alle Eltern von dreijährigen Kindern. Die Auswertung zeigte einen Förderbedarf bei 10 bis 15 Prozent. Deren Eltern werden von der Schule kontaktiert und motiviert, ihr Kind in die Spielgruppe anzumelden. Rahel Indermaur sagt, es sei insbesondere bei Familien mit Migrationshintergrund wichtig, den Nutzen gut zu erklären. In anderen Kulturkreisen kenne man die Spielgruppe weniger, die Kinder bleiben bis zum obligatorischen Kindergarten eher daheim. Gemäss Gesetz könnten Kinder gar zum Besuch des Förderprogramms verpflichtet werden, man wolle jedoch niemand dazu zwingen, so Indermaur. Die meisten Eltern würden das Angebot dankend annehmen.
Spielerisch die Sprache lernen
Die frühe Sprachförderung in den Spielgruppen erfolgt im Rahmen des üblichen dreistündigen Spielgruppenbesuchs. Die Leiterinnen haben dazu eine Zusatzausbildung absolviert. Romy Schäfer leitet die Spielgruppe in Hellbühl und neu in Sempach Station. Sie erklärt, dass die Förderung sehr spielerisch passiere: «Spielen ist Lernen.» Sie lässt Handpuppen sprechen, erzählt Geschichten, lässt Kinder im Spiel Gegenstände benennen oder macht Tast- und Riechspiele. «Wer einen Brokkoli mit den Händen ertastet, kann sich den Namen viel eher merken.» Im Gespräch stellt sie offene statt Ja/Nein-Fragen, damit die Kinder lernen, kurze Sätze zu bilden.

In Hellbühl gibt es in jeder Gruppe 1 bis 2 Kinder mit Sprachförderbedarf. Unterstützt wird die Leiterin darum jeweils von einer Assistentin. So hat jeweils eine Person Zeit, um mit einzelnen Kindern in kurzen Blöcken separat zu arbeiten. Gesprochen wird dabei Mundart, ab dem Kindergarten dann auch Schriftsprache.
Spielgruppe ist neu Teil der Schulorganisation
Das neue Konzept der frühen Förderung bringt für die drei Neuenkircher Spielgruppen auch organisatorische Änderungen. Neu sind die Angebote Bestandteil der Schulorganisation, die total 12 Leiterinnen sind bei der Gemeinde angestellt. Vorher waren die Gruppen privat oder als Verein geführt. Leiterin Romy Schäfer sieht darin nur Vorteile: «Wir sind in einem Team eingebettet und erhalten Rückendeckung durch die Schule.»
Warum hat sich die Gemeinde zu dieser Änderung entschieden? Schulleiterin Rahel Indermaur erklärt, man wolle damit noch idealere Bedingungen schaffen und die Spielgruppen besser unterstützen. Mit der Anpassung werden zudem die Eltern-Tarife innerhalb der Gemeinde vereinheitlicht und die Löhne der Spielgruppenleiterinnen angehoben. Neu wird auch Vorbereitungszeit entschädigt.
Für die Gemeinde bedeutet dies zusätzliche Kosten, denn die Elternbeiträge decken nur einen Bruchteil ab. Rund zwei Drittel des Aufwands werden von der Gemeinde getragen, vom Kanton erhält man zudem einen Beitrag von 650 Franken pro Kind mit Förderbedarf.
Doch die Investitionen mit dem neuen Modell würden sehr viel bringen, sagt Rahel Indermaur. Es helfe den Kindern, mit einem gefüllten Sprachrucksack und sozialen Erfahrungen in einer Gruppe in den Kindergarten einzutreten, was später auch einen positiven Effekt auf die Schule habe.
So funktioniert es in anderen Gemeinden in der Region
In anderen Gemeinden im Rottal ist die frühe Sprachförderung schon länger im Gang. Ruswil führt bereits seit 2019 Sprachstand-Erhebungen bei allen drei- bis vierjährigen Kindern durch, zuständig dafür ist die Abteilung Gesellschaft und Soziales. Die beiden Spielgruppen werden jedoch weiterhin als eigenständige Organisationen geführt und haben mit der Gemeinde eine Leistungsvereinbarung mit Abgeltungen festgelegt. In Grosswangen wird die Sprachstanderhebung bei allen vierjährigen Kindern durchgeführt, die Sprachförderung findet in der Spielgruppe statt. Gegründet hat diese die Frauengemeinschaft und führte sie viele Jahre als Verein. Seit letztem Schuljahr ist die Gemeinde zuständig, die Leiterinnen sind dort angestellt. Ebenso in Buttisholz: die frühe Sprachförderung findet seit 2021 im Rahmen des Spielgruppen-Angebots statt. Strukturell ist die Spielgruppe seit zwei Jahren an die Schule angegliedert. In Werthenstein/Schachen gab es vor einem Jahr zum Start des Schuljahres 2023/24 eine Veränderung. Die Spielgruppe Spatzenäscht im Ortsteil Schachen wurde neu an die Schule angegliedert. Im Januar 2023 wurde in der Gemeinde das Modell der frühen Sprachförderung eingeführt, wobei Kinder ab 3 Jahren in der Spielgruppe gefördert werden.
Umfrage zur Sprachkenntnis
Mit einem standardisierten Fragebogen, entwickelt von der Uni Basel, erheben die Gemeinden die Sprachkompetenz der Kinder. Je nach Modell wird die Umfrage an alle Eltern von drei- oder vierjährigen Kindern verschickt und kann online ausgefüllt werden. Die Erklärungen zum Fragebogen sind in 14 Sprachen verfügbar. Mit fünf Fragen wird geprüft, wie gut Kinder die deutschen Begriffe zum Thema Essen oder Körperteile kennen, ebenso einzelne Verben. Daraus ermitteln die Gemeinden, welche Kinder einen Förderbedarf haben und informieren die Eltern.